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Bei Forschung, Ausbildung und Flüchtlingen Spitze sein
WIFO-Chef Aiginger: Neue Dynamik durch soziale und ökologische Innovationen für Europa

„Europa ist die einzige Region der Welt, die nicht durch Kriege oder Eroberungen zustande gekommen ist. Wir (Österreicher) sind ein Spitzenland mit Techniken für das Mittelfeld. Ein Spitzenland muss bei Forschung, Ausbildung und Flüchtlingen Spitze sein", sagte Karl Aiginger, der Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) bei seinem Vortrag zum Thema „Macht euch die Erde untertan", zu dem die AMG-Akademie der KMB am 16. Juni 2016 ins Stift Heiligenkreuz eingeladen hatte.

Nicht business as usual sondern Investment in Change
„Wie können wir dieses Europa besser machen", dieser Frage gingen 34 Teams 4 Jahre lang in einem Projekt der Europäischen Kommission nach, berichtete Aiginger (vgl. Aiginger, K., New Dynamics for Europe: Reaping the Benefits of Socio-ecological Transition. Vienna, Brussels, 2016. http://Synthesis-Summary.foreurope.eu und http://www.foreurope.eu/:). Im Zentrum des Interesses stand: „Was ist die Position Europas im Jahr 2050 in einer globalisierten Welt zwischen der Innovationskraft der US-Wirtschaft und der asiatischen Effizienz. Das Erfolgsmodell der Europäischen Union mit 60 Jahren Frieden ist in die Midlife-Crisis gekommen". Bei einer Arbeitslosigkeit von 10% und einer Jugend- von 20% empfahl ihm eine indische Wissenschaftlerin: „Vergessen Sie das Sozialmodell Europa".

Die Zielsetzung Europa müsse daher eine „Region mit hoher und steigender Lebensqualität" sein, wo Lebensqualität als „(neuer) Maßstab das GDP/BIP als Erfolgsbenchmark" ersetze, so Aiginger. Für die
Lebensqualität (Wellbeing) gebe es „drei strategische Ziele: Ökonomische Dynamik, soziale Inklusivität und ökologische Nachhaltigkeit", wobei mit der ökonomischen Dynamik „ein Steigen der Einkommen im unteren Mittelwert" gegeben sein sollte, denn „10:1 sind die Einkommensunterschiede ganzer Regionen" gegenwärtig, so der Wissenschaftler.

Da sich Österreich „bewusst als Vorreiter definiert, hat es viel mehr Chancen als man glaubt", sagte Aiginger. Indem Hochlohnländer „mit Qualitätsstrategien funktionieren", brauche man keine teure und ineffiziente Silo-Strategie, sondern eine „High-Road-Strategie mit Verzicht auf niedrige Kosten und Standards sowie dem Aufbauen auf Fähigkeiten und Ambitionen; eine Zweiphasenstrategie, die Konsolidierung und Umprogrammierung mit einer sozial-ökologischen Transition bei niedrigerem Wachstum" umfasse. In der ersten Phase sei „nicht business as usual sondern Investment in Change" gefragt, wo „Rucksäcke die wir halten (Staatsverschuldung) abgeworfen und die Einkommensverteilung korrigiert" werde. In der zweiten Phase sei „mit niedrigem Wachstum mehr Wohlfahrt herauszuholen.
Die beste Investition in die Zukunft sind gute Kindergärten. Die Arbeitnehmer müssen das Recht bekommen, die Arbeit an ihren Lebensrhythmus anzupassen", bekräftigte Aiginger.

Offen, europäisch, heterogen und innovationsbasiert sein
Es gebe eine „Erosion der politischen Landschaft. Es fehlt an Führungskompetenz und Charisma. Die notwendigen Reformschritte werden nicht als Gesamtkonzept verkauft. Die Regierung schafft es nicht über Partikularinteressen hinaus. Wir haben keinen Mangel an Geld, sondern verwenden Geld für Dinge, die wir nicht brauchen. Mit einer Finanztransaktionssteuer könnten wir die Lohnsteuer um 15 – 20 Prozent senken. In Wien stehen 200 000 Wohnungen leer. Es sind Ineffizienzen, die wir uns leisten. Die Friedens- und /Nachbarschaftspolitik wurde vernachlässigt. Das Flüchtlingsproblem ist Folge einer falschen Einigelung der EU", resümierte Aiginger.

„Österreich soll nach dem Verlust der Vorreiterposition bei Ökologie 2000 wieder Vorreiter werden", so Aiginger. Das erfordere „die Entkarbonisierung als Chance zu sehen, eine anspruchsvollere Wohnbauförderung (Nullenergie), ein Verbot fossiler Energien bei Neubauten wie in Dänemark, die Forcierung der Elektromobilität und einen Schwerpunkt auf ökologische/soziale Innovationen". Dafür müssen wir „offen, europäisch, heterogen und innovationsbasiert sein. Europa kann sich neu definieren. Österreich kann teilweise Vorbild sein, noch mehr lernen", schloss Aiginger (vgl. http://tinyurl.com/Synthesis-Report-Part-I. ).

Eine neue Strategie für Europa - Power Point Präsentation von Dr. Karl Aiginger

Franz Vock

Im Gespräch nach dem Vortrag - Bilder von Franz Vock